+49 06223 5140 info@dmfk.de

Geschichte des

DMfK

Gründung – Proffessionalisierung – Aktivitäten

1. Gründung und Anfänge

Als am 8. Juli 1956 der deutsche Bundestag das Gesetz zur Wiedereinführung der allgemeinen Wehrpflicht verabschiedete, regte das Komitee der Konferenz Süddeutscher Mennoniten ein Treffen süd- und norddeutscher Mennoniten an. Zwei Wochen nach Verabschiedung des Gesetzes beschlossen am 24. Juli 1956 im Ludwigshafener Bürgerbräu acht führende Mennoniten aus Nord- und Süddeutschland in Fortführung des bisherigen „Ausschusses für KDV-Fragen“ die Gründung eines Komitees zur Verbreitung des christlichen Friedensgedankens, zur Beratung und Unterstützung der Wehrpflichtigen, und nannte es Deutsches Mennonitisches Friedenskomitee. Im Juli 1958 erschien der erste einer Reihe von zunächst doppelseitigen, später vierseitigen DMFK-Briefen. In oft apologetischer Weise wird Einwänden gegen die wohl umstrittene KDV begegnet und auf das Beratungsangebot des DMFK hingewiesen. Es wird betont, dass jeder sich selbst entscheiden müsse. Neben biblisch-theologischen Motiven wird die täuferisch-mennonitische Tradition genannt.

Von ersten Anerkennungen als Kriegsdienstverweigerer war im Februar 1959 zu lesen. Auch ein bereits zum Wehrdienst eingezogener junger Mann wurde anerkannt. Ab 10. April 1961 traten die ersten sechs Mennoniten ihren Ersatzdienst an. Dazu arbeitete das DMFK mit EIRENE, Internationaler Christlicher Friedensdienst, als Trägerorganisation zusammen. Unter Beteiligung des MCC 1957 gegründet, vermittelte EIRENE Dienste in Kliniken und diakonischen Einrichtungen. Als EIRENE nach einer Gesetzesneufassung ab April 1966 nicht mehr anerkannte Trägerorganisation war, gingen die Verwaltungsaufgaben an die Einsatzstellen über. Die Betreuung der Kriegsdienstverweigerer wurde dem süddeutschen Jugendwart Klaus Hübert übertragen. Im Dezember 1960 zählten etwa 800 junge Mennoniten zu den Empfängern der DMFK-Briefe. Zumindest 25 Mennoniten waren als KDVer anerkannt. Die Zahl der mennonitischen Verweigerer verdoppelte sich bis Juli 1962 auf 50 und bis Oktober 1965 wiederum auf 100. Im November 1967 waren 130 anerkannte KDVer bekannt, davon hatten 40 Ersatzdienst geleistet.1960 erschienen vier Nummern der neuen Schriftenreihe Der Weg des Friedens. Die Schriftenreihe ermöglichte die Entfaltung theologischer und gesellschaftspolitischer Fragen im Zusammenhang mit dem Friedenszeugnis. Über das Internationale Mennonitische Friedenskomitee (IMFK) hielt das DMFK Kontakt zur mennonitischen Friedensarbeit in anderen Ländern.

In den 70ern wurde die Arbeit biblisch verankert, vom hebräischen Schalom her auf Fragen der Gerechtigkeit und Ökologie erweitert. Auch Themen wie Energieverbrauch, Nord-Süd-Dialog, Randgruppen, Sicherheitspolitik begannen, ins Blickfeld der Gemeinden zu rücken. Auf Anregung des DMFK empfahl die Vereinigung 1978 den Gemeinden, Patenschaften für Friedensdienste zu übernehmen. Anstöße zur Aktualität täuferischer Grundanliegen kamen aus der Theologie John H. →Yoders, mit dem auch eigene Seminare veranstaltet wurden. 1982 behandelte ein Seminar mit Peter →Dyck Grundfragen der Friedenstheologie und verband sie mit den Erfahrungen der MCC-Arbeit im Nachkriegsdeutschland.

2. Die 1980er Jahre: Friedensbewegung und Professionalisierung

Starke Impulse kamen in den 1980er Jahren von der Friedensbewegung gegen die Nachrüstung mit neuen Mittelstreckenraketen. Auch Mennoniten nahmen teil an Großdemonstrationen mit bis zu 300.000 Teilnehmern, einer Menschenkette von Stuttgart nach Neu-Ulm, gewaltfreien Aktionen und zivilem Ungehorsam etwa durch Blockaden militärischer Anlagen an den Stationierungsorten. Zu den Herbstaktionen 1984 heißt es in einem DMFK-Aufruf: „Wir können Jesu Auftrag, Friedensstifter zu sein, nicht erfüllen, solange wir die ‚Stillen im Lande‘ bleiben (…). Um bewusst unsere Position als Christen einzubringen, wollen wir uns als mennonitische Gruppen (mit unseren Liedern, Gebeten und Transparenten (…) beteiligen.“ Die Reihe Weg des Friedens wurde neu gestartet und wandte sich zunehmend den aktuellen Themen der weiteren Friedensbewegung zu, veröffentlicht wurde auch eine Handreichung für Mennonitengemeinden zum „Konziliaren Prozeß für Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung“.

In zahlreichen Anfragen zeigte sich ein wachsendes Interesse an den Mennoniten als historischer Friedenskirche. In der bisherigen ehrenamtlichen Struktur des DMFK ließ es sich kaum bewältigen. Auch in den Gemeinden und Konferenzen wuchs neues Interesse. So konnte 1982 zusammen mit der Konferenz süddeutscher Mennoniten eine Freiwilligenstelle geschaffen werden, die organisatorisch und räumlich dem Jugendwerk der Konferenz, damals in Sinsheim, angegliedert wurde. Andrea Lange legte ab September 1982 in einem einjährigen Freiwilligendienst erste Grundlagen für ein permanentes Friedensbüro als Voraussetzung „professioneller“ Friedensarbeit. In dieser Zeit wurde auch das bis heute in Variationen verwendete Logo entworfen. Es zeigt eine Mauer oder einen Weg, deren Steine oder Pflastersteine sich in davonfliegende Friedenstauben verwandeln.

Öffentlich wurde die Freiwilligenstelle mit dem Projekt „Transatlantischer Friedenssonntag 1983“. Gegen die Instrumentalisierung des Jubiläums „300 Jahre deutsche Auswanderung nach Nordamerika“ als Feier deutscher und US-amerikanischer Waffenbrüderschaft in der NATO, betonte das Materialheft, dass die ersten Auswanderer Quäker und Mennoniten aus Krefeld waren und stellte dem Militärbündnis NATO den Friedensbund mit Jesus Christus gegenüber. Die Stelle war ein erster Schritt zur Professionalisierung. Bald wurde klar, dass die weitere Arbeit mit wechselnden Freiwilligen nicht zu leisten war. So beschloss die Frühjahrs-MV 1984, eine hauptamtliche Friedensarbeitsstelle zu schaffen und ihr die Freiwilligenstelle zuzuordnen. Zunächst ist es eine 50%-Stelle, die ebenso vom Jugendwerk verwaltet wird. Die Oktober-MV 1984 beschloss, Wolfgang Krauß als Friedensarbeiter bzw. Geschäftsführer anzustellen. Seine vorrangige Aufgabe bestand zunächst im Aufbau einer Geschäftsstelle in Bammental bei Heidelberg. Ab Frühjahr 1985 erschienen in loser Folge DMFK-Informationen, dazu jährliche Handreichungen zum Friedenssonntag im November und andere Publikationen und Materialien. Zahlreiche Einladungen zu Predigten, Gemeindetagen oder Themenabenden zeigten den Bedarf in den Gemeinden. Die Tagungsarbeit wurde verstetigt. Das bisherige Kernthema KDV trat, seit 1983 die obligatorische mündliche Prüfung durch ein schriftliches Verfahren ersetzt wurde, nach und nach in den Hintergrund. Über die Zentralstelle für Recht und Schutz der KDVer aus Gewissensgründen, die KDV-AG der Vereinigung Evangelischer Freikirchen (VEF) sowie die Evangelische Arbeitsgemeinschaft zur Betreuung der KDVer und Zivildienstleistenden (EAK) war das DMFK über die Rechtslage informiert und hatte Kontakt zu Regierungsstellen, was der Beratung zugute kam. Werner Funcks Broschüre Kriegsdienstverweigerung – Was sagt die Bibel? Was tun die Kirchen? gab 1980 theologische Orientierung. Seit Aussetzung der Wehrpflicht 2011 verlagerte sich die KDV-Arbeit zu in Deutschland stationierten US-Staatsangehörigen.

In den 1980er Jahre gewann das in Nordamerika bei Mennoniten schon lange thematisierte Problem der Rüstungsfinanzierung durch Steuern Raum. DMFK-Mitarbeiter Wolfgang Krauß beteiligte sich 1983 in Heidelberg an der Gründung der bundesweiten Friedenssteuerinitiative, heute Netzwerk Friedenssteuer. Historische, rechtliche, politische und theologische Aspekte fasste er in der von ihm herausgegebenen Monographie Was gehört dem Kaiser? zusammen. Im Oktober 1987 unterstützte der Verband gegenüber dem Bundestag eine Gesetzesinititative zu einem Friedenssteuergesetz.

 

3. Langfristige Projekte und Friedensarbeit im ehemaligen Jugoslawien

Ab Ende der 1980er Jahre initiierte oder beteiligte sich das DMFK vermehrt an langfristigen Projekten. 1989 protestierte eine Postkartenaktion gegen Tiefflüge der Bundeswehr im Gebiet einheimischer Innu in Kanada. 1990 reagierte das DMFK mit der „Initiative Frieden am Golf“ (IFaG) auf den drohenden Golfkrieg. Sechs Delegationen suchten durch ihre Anwesenheit im Irak, Zeichen gegen den Krieg zu setzen. Als Pressesprecher organisierte Wolfgang Krauß Pressekonferenzen am Flughafen Frankfurt zur Ausreise und Rückkehr der Gruppen. In der Nachkriegszeit leistete die IFaG humanitäre Hilfe im Südirak. Ein Schwerpunkt des DMFK wurde die Arbeit des Military Counseling Network (MCN) zunächst Mitte der 1980er und dann im Kontext der Irakkriege 1991 und 2003. Junge Freiwillige aus USA begleiteten US-Soldaten in der Anerkennung als KDV und auf anderen Wegen aus dem Militär. 2003 begannen Lern- und Solidaritätsreisen nach Israel/Palästina.

Ein Hauptakzent der DMFK-Arbeit lag 1992 bis 2000 auf der Kooperation mit den Mennonitischen Hilfswerken im ehemaligen Jugoslawien. Anfang Oktober 1992 leistete ein elfköpfiges Team aus vier Nationen auf Einladung der kroatischen Gruppe Suncokret (Sonnenblume) einen Einsatz vor allem mit Freizeitangeboten für Kinder und Jugendliche in einem Flüchtlingscamp auf der Adriainsel Brac. Darauf folgten neunzehn Teams an der dalmatinischen Küste, 1994 und 1995 fünf Teams im zentralbosnischen Kakanj. Bis Sommer 1996 gab es 26 Gruppen mit ca. 200 Freiwilligen. Eine 1993 geplante Friedenswerkstatt wurde zu praktischer Solidarität mit muslimischen Flüchtlingen, deren Lager geräumt wurden. Neben ausländischer Präsenz als Schutz gelang es Medienaufmerksamkeit zu schaffen und über die Kontakte früherer Freiwilliger für einige Dutzend Flüchtlinge die Ausreise nach Deutschland zu organisieren. Außerdem brachten LKWs der Hilfswerke ab Herbst 1992 humanitäre Hilfe nach Konjic und ab 1994 nach Kakanj in Bosnien-Herzegowina. Von 1993 bis 1996 arbeitete ein Koordinationsbüro bei Split. 1996 und 1997 halfen neun Teams beim Wiederaufbau in Jajce. Dort wurde ab Frühjahr 1996 Rückkehrhilfe für Flüchtlinge geleistet, und ab Ende 1997 startete Jugend- und Begegnungszentrum. In diesem Kontext entstand 1998 in Jajce eine freikirchliche Gemeinde. Ab Mitte 1994 kamen längerfristige Freiwillige zum Einsatz. Mit multiethnischen Teams wurden durch humanitäre Hilfe, Kinder- und Jugendarbeit, Einübung in gewaltfreies Handeln Zeichen für Frieden und Verständigung zwischen den verfeindeten Volksgruppen gesetzt. Die Projektarbeit endete im Frühjahr 2000.

Als die NATO 1999 in den Kosovokonflikt eingriff, reagierte das DMFK auf diese erste direkte deutsche Kriegsbeteiligung nach 1945 mit regelmäßigen Freitagsemails, die vor allem Stimmen von Christen aus der Kriegsregion wahrnehmbar machten.

 

4. Integration in überregionale Strukturen und ökumenische Kontakte

In den seit Anfang 1982 laufenden Gesprächen von Verband und Vereinigung zu einer künftigen Arbeitsgemeinschaft mennonitischer Gemeinden (AMG) ging es auch um die Friedensarbeit. Am 27. September 1985 wurde das DMFK von der Arbeitsgemeinschaft beauftragt, in ihren Gemeinden das christliche Friedenszeugnis zu fördern. Im Rahmen der juristischen Trägerschaft der AMG hat das DMFK weiter ein hohes Maß an Selbstständigkeit. Eine eigene Mitgliederversammlung (MV) bestimmt die Inhalte der Arbeit, das Budget ist nicht Teil des AMG-Haushaltes, sondern wird vom DMFK selbst bei Gemeinden und Einzelspendern eingeworben. Die DMFK-MV besteht aus Delegierten der Gemeinden, der Konferenzen und anderer Werke, sowie aus Einzelmitgliedern, die sich zur engagierten Mitarbeit verpflichten. 1986 war das DMFK an der Gründung von „Christliche Dienste“ (CD) als zentraler Vermittlung von Freiwilligendiensten beteiligt. Im Februar 1990 waren bei der MV in Neuwied erstmals zwei Delegierte aus der →DDR dabei. Da sich die DDR-Gemeinde im Zuge der deutschen Einheit mit der Gemeinde in Westberlin (→Berlin) vereinigte, wurde daraus keine langfristige Vertretung.

Ab Mitte der 1980er gingen die Gemeindeverbände wichtige Schritte auf dem Weg zur Friedenskirche. Der Verband betonte in seinem Selbstverständnis vom 19. Januar 1985, sein neutestamentliches Gemeindeverständnis beinhalte „Gewaltlosigkeit, Kriegsdienstverweigerung und Friedensdienst“. Die Vereinigung wollte in ihrer Emdener Entschließung vom 1. und 2. Juni 1985 „den gewaltlosen Weg Jesu als gültiges und verbindliches Evangelium für uns gelten lassen“. Sie empfahl die Verweigerung des Wehrdienstes, betonte jedoch auch, Wehrdienstleistende zu achten. In der Erfüllung des Friedensauftrags will sie „vertrauensvoll, aber nicht kritiklos mit dem DMFK zusammenarbeiten“. Der Verband beschloss 1987 nach ausführlichen Konsultationen mit den Gemeinden „Unser Friedenszeugnis“. 2011 wurde es mit dem Untertitel „Jesus Christus macht den Kriegen ein Ende“, ergänzt durch aktuelle Kommentierung und Arbeitshilfen, neu aufgelegt. Die Vereinigung verabschiedete im Dezember 2009 ihre in einem mehrstufigen Prozess die mit den Gemeinden abgestimmte Erklärung Richte unsere Füße auf den Weg des Friedens. Sie steht im Kontext der ÖRK-Dekade zur Überwindung von Gewalt 2001–2010 und wurde von Gemeinden aus ASM und Verband mit erarbeitet, die an der ÖRK-Mitgliedschaft der Vereinigung Anteil haben. Die Erklärung entwirft, orientiert an den Glaubensüberzeugungen der Mennonitischen Weltkonferenz, „eine Theologie des Gerechten Friedens und der Gewaltfreiheit“ und zeigte praktische Bewährungsfelder auf. Mit der Gründung des Mennonitischen Friedenszentrums Berlin (MFB) suchte die Vereinigung ihre Beteiligung an der Dekade praktisch werden zu lassen. DMFK und MFB arbeiteten vielfältig zusammen.

Seit seiner Gründung war das DMFK in ökumenische Kontakte eingebunden. In der praktischen Zusammenarbeit in Sachen KDV in der Evangelischen Arbeitsgemeinschaft zur Betreuung der KDVer und Zivildienstleistenden (EAK) sowie der entsprechenden Arbeitsgemeinschaft der Vereinigung Evangelischer Freikirchen (VEF). In der Zentralstelle für Recht und Schutz der KDVer aus Gewissensgründen arbeitete das DMFK auch mit säkularen Organisationen zusammen. Nachdem zunächst die Reihe der →Puidouxkonferenzen eine Plattform des theologischen Dialogs v. a. zwischen nordamerikanischen friedenskirchlichen Teilnehmern und Theologen aus den evangelischen Landeskirchen schuf, suchten einige landeskirchliche Theologen den Kontakt über den „Arbeitskreis kirchliches Friedenszeugnis“ (AKF). Eine gemeinsame Tagung im Oktober 1963 erbrachte eine Theologische Erklärung zum Friedenszeugnis. Ein miteinander erarbeitetes „Friedensbekenntnis“ wurde in 20.000 Exemplaren verbreitet und 1965 in Der Mennonit veröffentlicht. Das DMFK ist Mitglied im europäischen friedenskirchlichen Netzwerk „Church and Peace“ (C&P), wo der Puidoux-Dialog ab 1978 in Richtung alltäglicher Friedenspraxis und -spiritualität fortgeführt und erweitert wurde. Mit dem Ökumenischen Netz Baden entstand Mitte der 1980er eine regionale Austausch- und Kooperationsebene. Seit 1981 unterstützt das DMFK die Ökumenische Aktion „Ohne Rüstung Leben“, die auf den Appell der 5. Vollversammlung des ÖRK 1975 in Nairobi zurückgeht: „Die Kirche sollte ihre Bereitschaft betonen, ohne den Schutz von Waffen zu leben.“ Das DMFK bringt friedenskirchliche Impulse in den ökumenischen Diskurs zum „Konziliaren Prozess für Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung“, dessen Fortsetzungen in der „Dekade zur Überwindung von Gewalt“ (2001 bis 2010) und im „Pilgerweg der Gerechtigkeit und des Friedens“ (ab 2013) ein.

 

Unsere Geschichte